Relative Diktatur und Leugnung: Brasilien, 1964 (2016, 2018…)

Hans Hofmann, Laburnum, 1954
Whatsapp
Facebook
Twitter
Instagram
Telegram
image_pdf

von GILBERTO MARINGONI*

Kommentar zum kürzlich erschienenen Buch von Marcos Silva

Interpretationen zur brasilianischen Militärdiktatur bleiben offen. Es geht nicht nur darum, die Verantwortlichkeiten der Betreiber und Beauftragten für Verbrechen des 1985 zu Ende gegangenen Regimes zu verfolgen – eine Aufgabe, mit der seitdem keine Regierung mehr konfrontiert war –, sondern auch darum, zu überprüfen, ob der Zyklus, der durch den Putsch von 2016 begonnen wurde, eine Wiederholung darstellt der Geschichte als Chanchada. Der zwei Jahre später gewählte sogenannte „Mythos“ strebt danach, durch die Zerstörung des kollektiven Gedächtnisses eine heroische Mythologie der 21 Jahre Blei zu schaffen.

Die Neuinterpretation und Neudefinition dieser Zeiten bedeutet, miteinander verflochtene Schichten der historischen Zeit zu berühren. Trotz respektabler Werke waren die fast vier Jahrzehnte, die uns vom letzten General trennen, der den Chef der Exekutive an sich gerissen hat, auch fruchtbar für die Schaffung voreingenommener Erzählungen, die von der „Dictabranda“ zur Hagiographie von Charakteren springen, auf der Suche nach einer eigenen Reinigung Biografie mit zivilisierten Farbstoffen.

Angesichts solcher Schauspieler ist Marcos Silva dabei unerbittlich Relative Diktatur und Leugnung: Brasilien, 1964 (2016, 2018…). Sein intellektueller Club beginnt mit dem Titel, einer klaren Paraphrase des unvergesslichen Konzepts der relativen Diktatur, das uns General Ernesto Geisel Wochen nach der Schließung des Kongresses im April 1977 vorschlug.

Relativ ist für Marcos ein guter Teil der Geschichtsschreibung über das uniformierte Regime, der von den Medien und der Akademie als kanonisch angesehen wird.

Auf der Grundlage eines soliden intellektuellen und kulturellen Hintergrunds untersucht der Historiker die Werke von Elio Gaspari und Marcos Napolitano und weist darauf hin, dass die Geschichtsschreibung trotz der Interpretationsdistanz in Extremsituationen nicht zweideutig sein darf. Die Demokratie mit Füßen zu treten, die Verfassung zu zerreißen und das politische Leben mit Blut zu beflecken, sind Gesten, bei denen jeder Vorwand mitschuldig ist.

Marcos Silva würdigt das Handwerk des Historikers in einem mit Takt und Leidenschaft geschriebenen Buch.

*Gilberto Maringoni ist Professor an der Federal University of ABC.

Referenz


Mark Silva. Relative Diktatur und Leugnung: Brasilien, 1964 (2016, 2018…). São Paulo, Maria Antonia Editions, 2021.

 

Alle Artikel anzeigen von

10 MEISTGELESENE IN DEN LETZTEN 7 TAGEN

Pablo Rubén Mariconda (1949-2025)
Von ELIAKIM FERREIRA OLIVEIRA & OTTO CRESPO-SANCHEZ DA ROSA: Hommage an den kürzlich verstorbenen Professor für Wissenschaftsphilosophie an der USP
Ölförderung in Brasilien
Von JEAN MARC VON DER WEID: Die doppelte Herausforderung des Öls: Während die Welt mit Versorgungsengpässen und dem Druck nach sauberer Energie konfrontiert ist, investiert Brasilien massiv in die Vorsalzgewinnung
Neuausrichtung der nationalen Prioritäten
Von JOÃO CARLOS SALLES: Andifes warnt vor der Schließung der Bundesuniversitäten, doch seine formale Sprache und politische Zurückhaltung mildern letztlich die Schwere der Krise, während die Regierung der Hochschulbildung keine Priorität einräumt.
Der Guarani-Aquifer
Von HERALDO CAMPOS: „Ich bin nicht arm, ich bin nüchtern und habe wenig Gepäck. Ich lebe mit gerade genug, damit mir die Dinge nicht meine Freiheit rauben.“ (Pepe Mujica)
Peripherie, moderne Ideen: Kartoffeln für Intellektuelle aus São Paulo
Von WESLEY SOUSA & GUSTAVO TEIXEIRA: Kommentar zum Buch von Fábio Mascaro Querido
Die Korrosion der akademischen Kultur
Von MARCIO LUIZ MIOTTO: Brasilianische Universitäten leiden unter dem zunehmenden Mangel an Lese- und akademischer Kultur
Die Schwäche der USA und der Zerfall der Europäischen Union
Von JOSÉ LUÍS FIORI: Trump hat kein globales Chaos verursacht, er hat lediglich den Zusammenbruch einer internationalen Ordnung beschleunigt, die bereits seit den 1990er Jahren bröckelte, mit illegalen Kriegen, dem moralischen Bankrott des Westens und dem Aufstieg einer multipolaren Welt.
Eine PT ohne Kritik am Neoliberalismus?
Von JUAREZ GUIMARÃES & CARLOS HENRIQUE ÁRABE: Lula regiert, aber verändert nicht: Das Risiko eines Mandats, das an die Fesseln des Neoliberalismus gefesselt ist
Die Dame, der Betrug und der kleine Betrüger
Von SANDRA BITENCOURT: Vom digitalen Hass bis zu jugendlichen Pastoren: Wie die Kontroversen um Janja, Virgínia Fonseca und Miguel Oliveira die Krise der Autorität im Zeitalter der Algorithmen offenbaren
Exkurse zur Staatsverschuldung
Von LUIZ GONZAGA BELLUZZO & MANFRED BACK: US-amerikanische und chinesische Staatsverschuldung: zwei Modelle, zwei Risiken und warum die Mainstream-Wirtschaftsdebatte Marx' Lehren über fiktives Kapital ignoriert
Alle Artikel anzeigen von

ZU SUCHEN

Forschung

THEMEN

NEUE VERÖFFENTLICHUNGEN