Zerrissene Seiten

Bild: Claudio Cretti / Jornal de Resenhas
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von GUILHERME E. MEYER*

fünf Gedichte

ein Versprechen
Wenn alles verloren scheint
erinnert mich daran, dass Mut in Verzweiflung lebt
und in Träumen, die uns nie mitgenommen haben
erinnert mich daran, dass nichts ewig währt
und jede Sekunde birgt die Chance
von einem Neuanfang
erinnert mich daran, dass Hoffnung Risiko bedeutet
und unser Schrei
ist Teil eines Echos
erinnert mich daran, dass Schmerz uns zerbricht
und brauche es nicht
und jeder Kampf bringt ein Versprechen mit sich
Selbst der härteste Stein kann dieser Kraft nicht standhalten
von all diesem Wasser

 

Feuer ist nichts Neues
Tage, an die ich mich kaum erinnern kann
Ich fühle mich schlecht, wenn sie bestehen
Das Herz ist eine geschlossene Wohnung
und sogar die Wände haben die Farbe der Bestürzung
(die Fenster voller alter Gedichte)
was würde ohne mich aus mir werden
Deine Worte im Ohr
Augenfalten
ein müder Körper
Millionen Tote
und noch ein Herbst
Stücke von denen, die nur in Stücken denken
..........................................................[und das Feuer
es ist nichts neues

 

Freitag, 20. März 2020
Kaffeefleckige Seiten
Wird es jemals aufhören zu schmerzen?
Es gibt keinen Grund mehr zum Weinen
Es gibt nichts mehr, wovor man Angst haben muss
nichts anderes gehört uns
Das ist es, was wir haben
ein Traum voller Risiko
ein betrunkenes Delirium des Verlangens
eine Hoffnung ohne Warten und voll
der Revolte

 

Brief gegen das Firmament
                                                                                                Ich bin Sean Bonney

Heute bin ich im Morgengrauen aufgestanden
und Gedichte von Katerina Gagou lesen
Du wurdest tot aufgefunden
Irgendwo in Berlin
Katerina beging 1993 Selbstmord
Die Zukunft ist jetzt oder es ist nichts
Niemand sonst löscht unsere Revolte aus
drei weitere Klicks nach links
der Körper voller Buchstaben und Buchstaben
und zerrissene Seiten
unsere immense Einsamkeit
Bierflaschen in Reihe
das verdammte Geräusch von Sirenen
und Sparmaßnahmen
glaube an nichts
was aus ihrem Mund kommt
heute, wo die Zukunft nicht existiert und die Blumen
mach uns nur trauriger

 

ein Meer der Revolte
Bus brennt und Fenster gesprengt
die Stimme der zum Schweigen gebrachten
in der Sprache der Plünderungen und Sprengstoffe
„Zum dritten Tag in Folge
die Börse hat vorzeitig geschlossen“
die Armee auf den Straßen
lieb mich jetzt. alles brennt
„Ausnahmezustand“ die Norm
das wahre Gesicht
über den Stand der Dinge
„Eine sehr, sehr leere Stadt“
ein Sandkorn
ein Meer der Revolte
drücke meine Hand
und lässt nicht los. Jetzt bleibt nur noch eines hervorzubringen
ein weiterer Notfall

 

* William E. Meyer ist Doktorandin der englischen und amerikanischen Literatur an der New York University.

 

 

 

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