von MARCIO VERKÄUFE SARAIVA*
Kommentar zum Buch von Hernan Heard
Hernán Ouviña bietet uns eine zeitgenössische Interpretation der Laufbahn und des Denkens von Rosa Luxemburg (1871–1919) und hebt ihre Bedeutung für die politischen Kämpfe unseres Jahrhunderts hervor. Rosa Luxemburg und die Neuerfindung der Politik greift nicht nur die Schriften und die Militanz der polnisch-deutschen Revolutionärin auf, sondern schlägt auch einen Dialog zwischen ihrer Theorie und den sozialen Kämpfen der Gegenwart vor, insbesondere in unserem Lateinamerika.
„In Brasilien wissen wir insbesondere, dass die Ideen Rosa Luxemburgs von Mário Pedrosa – dem Gründer der trotzkistischen Opposition und unserem größten Kritiker der bildenden Künste – auf den Seiten der Wochenzeitung verbreitet wurden. Sozialistische Avantgarde, die er von Ende 1945 bis Mitte 1948 in Rio de Janeiro herausgab. Dort erschienen einige der wichtigsten politischen Artikel Rosa Luxemburgs, mit deren Werk Mário Pedrosa Ende der 1920er Jahre in Berlin und Paris erstmals in Berührung gekommen war.
Im Szenario unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg, als das linke Denken vom Stalinismus dominiert wurde, hatte die Verbreitung von Rosa Luxemburgs demokratischer, volksnaher und antibürokratischer sozialistischer Ideologie das Ziel, eine neue, humanistische und sowohl von der Sozialdemokratie als auch vom Stalinismus unabhängige Linke zu schaffen.“ (Ouviña, 2019, S. 13)
Von Beginn des Buches an unterstreicht Hernán Ouviña sein Engagement, eine Rosa Luxemburg jenseits akademischer Klischees darzustellen, und betont ihren „aufständischen Radikalismus und ihr Engagement für den demokratischen Massensozialismus“ (Ouviña, 2019, S. 15). Der Autor argumentiert, dass sich Rosa Luxemburgs Denken sowohl vom orthodoxen Marxismus – insbesondere von seiner dogmatischen Version, dem selbsternannten „Marxismus-Leninismus“ – als auch von den reformistischen, nationalistischen und wahltheoretischen Strömungen der Sozialdemokratie unterscheidet, da es durch eine dialektische Vision der Politik gekennzeichnet ist, die das autonome Handeln der Massen wertschätzt.
Hernán Ouviña beginnt seine Analyse, indem er Rosa Luxemburg in den Kontext des späten 19. und frühen 20. Jahrhunderts stellt, einer Zeit, in der der Klassenkampf angesichts des Vormarsches des Monopolkapitalismus und der Verschärfung imperialistischer Auseinandersetzungen neue Formen annahm. Rosa wurde in eine jüdische Familie im Polen des Russischen Reiches hineingeboren. Ihr Lebensweg war stark geprägt von Exil, sozialistischem Aktivismus und innovativer theoretischer Arbeit.
Hernán Ouviña betont: „Schon in ihrer Jugend zeigte Rosa Luxemburg ein scharfes kritisches Denken, sie weigerte sich, Dogmen zu akzeptieren und versuchte stets, Machtstrukturen herauszufordern, auch innerhalb der Linken selbst“ (S. 28).
Der Autor lässt entscheidende Momente im Leben Rosa Luxemburgs Revue passieren, etwa ihre Beteiligung an der Gründung der Sozialdemokratischen Partei des Königreichs Polen und Litauen (SDKPiL), ihr Exil in Deutschland und ihre Rolle im Spartakusbund, die in der Deutschen Revolution von 1918–1919 gipfelte. Einer der zentralen Punkte des Buches ist Rosa Luxemburgs Weigerung, dem Wahlpragmatismus der deutschen Sozialdemokratie oder dem aufkommenden Autoritarismus des russischen Bolschewismus nachzugeben.
Die Neuerfindung der Politik – Demokratie, Revolution und Autonomie der Massen
Einer der innovativsten Aspekte der Arbeit von Hernán Ouviña ist die Art und Weise, wie er Rosa Luxemburgs Denken mit der Notwendigkeit verbindet, die Politik im 1917. Jahrhundert neu zu erfinden. Für den Autor war die Revolution für den Kommunisten kein mechanischer Akt, der durch Dekrete oder starr festgelegte Strategien durchgeführt wurde, sondern ein lebendiger, dialektischer und offener Prozess, bei dem die aktive und autonome Teilnahme der Massen das entscheidende Element war. Rosa lehnte sowohl den parlamentarischen Reformismus der deutschen Sozialdemokratie als auch den autoritären Zentralismus ab, der sich nach XNUMX in Russland festigte. Er erklärte, dass echter Sozialismus nur durch das autonome und kreative Handeln des Proletariats im Kampf aufgebaut werden könne.
Hernán Ouviña zitiert Rosa Luxemburg und betont die Bedeutung der Freiheit der Kritik und der politischen Debatte als unverzichtbare Grundlage jedes revolutionären Prozesses: „Freiheit, die nur den Anhängern der Regierung, nur den Mitgliedern einer Partei – wie zahlreich sie auch sein mögen – vorbehalten ist, ist keine Freiheit. Freiheit ist immer und ausschließlich Freiheit für Andersdenkende“ (Luxemburgo, 1918, apud Ouviña, 2019, S. 73).
Diese kompromisslose Verteidigung der proletarischen Demokratie, die nicht als institutionelle Formalität, sondern als tatsächliche Machtausübung der arbeitenden Massen verstanden wurde, veranlasste Rosa Luxemburg dazu, die autoritären Maßnahmen des Bolschewismus zu kritisieren, wie etwa die Auflösung der Konstituierenden Versammlung im Jahr 1918 und die Unterdrückung gegensätzlicher Strömungen innerhalb der sozialistischen Bewegung. Laut Hernán Ouviña beruht diese Divergenz nicht auf einer bloßen taktischen Meinungsverschiedenheit, sondern auf einer tieferen Auffassung: Für Rosa Luxemburg konnte die Revolution nicht von oben nach unten durch eine führende Avantgarde aufgezwungen werden, sondern sollte aus kollektivem Lernen und der Selbstorganisation der Bevölkerung hervorgehen.
Hernán Ouviña fasst diese Perspektive mit der Aussage zusammen: „Sie lehrt uns, dass emanzipatorische Politik nicht auf eine von einer aufgeklärten Elite entworfene Strategie reduziert werden kann, sondern aus der konkreten Praxis der kämpfenden Massen hervorgehen muss“ (Ouviña, 2019, S. 91).
Rosa Luxemburg glaubte, dass die Fehler und Widersprüche der Arbeiterbewegung ein untrennbarer Teil des revolutionären Prozesses selbst seien und dass Klassenbewusstsein nur durch die direkte Erfahrung des Kampfes gegen das Kapital entstehen könne. Daher lehnte sie die Idee einer allmächtigen Führung ab, die die Massen auf paternalistische Weise lenken würde. In seinen Worten: „Ohne allgemeine Wahlen, ohne uneingeschränkte Presse- und Versammlungsfreiheit, ohne freien Meinungskampf verkümmert das Leben in jeder öffentlichen Institution und wird zu einer Karikatur des Lebens selbst, in der nur die Bürokratie als aktives Element überlebt“ (Luxemburgo, 1918, apud Ouviña, 2019, S. 78).
Diese Vision bleibt auch angesichts der aktuellen Herausforderungen aktuell, da der Vormarsch des globalisierten Finanzkapitalismus und die Krise der repräsentativen Demokratie zu Apathie, Demobilisierung und dem Aufstieg autoritärer Politiken führen. Indem er die zentrale Bedeutung der Selbstorganisation und der politischen Freiheit im Werk Rosa Luxemburgs wiederentdeckt, schlägt Hernán Ouviña vor, dass die Kämpfe des 21. Jahrhunderts sowohl die Bevormundung durch bürokratische Eliten als auch die Illusionen einer Wahldemokratie geringer Intensität zurückweisen müssen, die die materiellen Bedingungen der Ausbeutung und Unterdrückung nicht verändert.
In diesem Sinne bieten Rosa Luxemburgs Überlegungen – in denen sie Freiheit, Volksbeteiligung und Kritik am Autoritarismus artikulieren – konzeptionelle Werkzeuge für das Nachdenken über neue Formen kollektiven Handelns und radikaler Demokratie, die keine festen Modelle sein dürfen, sondern sich als Reaktion auf konkrete Kämpfe und Herausforderungen der Gegenwart ständig neu erfinden müssen.
Kritik an Reformismus und Autoritarismus
Eine weitere grundlegende Achse des Buches ist Rosa Luxemburgs Kritik sowohl am Reformismus der deutschen Sozialdemokratie als auch am bolschewistischen Autoritarismus. Hernán Ouviña hebt hervor, wie entschieden sich der polnisch-deutsche Revolutionär gegen jeden Versuch wandte, den sozialistischen Kampf auf den institutionellen Rahmen des bürgerlichen Staates zu beschränken. Er war sich darüber im Klaren, dass die radikale Umgestaltung der Gesellschaft einen revolutionären Bruch mit den bestehenden Machtstrukturen erforderte.
Im Falle des Reformismus erinnert sich Hernán Ouviña an seine berühmte Kontroverse mit Eduard Bernstein, einem Theoretiker der deutschen Sozialdemokratie, der die Möglichkeit eines schrittweisen Übergangs zum Sozialismus durch fortschrittliche Reformen im Parlament und die Ausweitung der Rechte innerhalb der kapitalistischen Ordnung verteidigte. Rosa Luxemburg kritisierte diese Perspektive als eine theoretische und praktische Kapitulation, die den revolutionären Horizont zugunsten einer Anpassung an das bestehende System aufgäbe.
in deinem Klassiker Reform oder Revolution? (1899) stellt sie fest: „Rechtsreform und Revolution sind keine unterschiedlichen Methoden der historischen Entwicklung, die nach Belieben gewählt werden können, sondern verschiedene Momente in der Entwicklung der Klassengesellschaft“ (Luxemburgo, 1899, apud Ouviña, 2019, S. 112).
Für Rosa Luxemburg war der Reformismus nicht nur eine falsche Strategie, sondern auch ein Weg, der den Kapitalismus nicht überwand, sondern ihn letztlich verstärkte, indem er die Kämpfe auf partielle und beschönigende Erfolge beschränkte. Sie argumentierte, dass Reformen ohne einen revolutionären Bruch dazu tendieren würden, von den Widersprüchen des kapitalistischen Systems selbst absorbiert und neutralisiert zu werden. An anderer Stelle heißt es: „Wer sich für den reformistischen Weg ausspricht und sich gegen die Machtergreifung und die soziale Revolution ausspricht, wählt in Wirklichkeit keinen ruhigeren, friedlicheren Weg zum selben Ziel, sondern ein anderes“ (Luxemburgo, 1899, apud Ouviña, 2019, S. 115).
Für Hernán Ouviña ist diese Kritik nach wie vor aktuell, insbesondere angesichts der jüngsten Erfahrungen der europäischen Sozialdemokratie und des lateinamerikanischen Progressivismus. In beiden Fällen lässt sich der Versuch beobachten, einen Diskurs mit linken Tönen mit der Anwendung neoliberaler Wirtschaftspolitik zu vereinbaren, was laut dem Autor zu einer Demobilisierung der Bevölkerung und zur Aufrechterhaltung grundlegender Ausbeutungsstrukturen führt.
In ihren Worten: „Rosa lehrt uns, dass ohne aktive Beteiligung und Selbstorganisation der Bevölkerung jedes fortschrittliche Projekt Gefahr läuft, sich den Mechanismen der bürgerlichen Macht anzupassen und schließlich zu deren Verwalter zu werden“ (Ouviña, 2019, S. 118).
Gleichzeitig betont Hernán Ouviña, dass Rosa Luxemburgs Kritik am Reformismus nicht die Ablehnung des Kampfes für konkrete Verbesserungen im Leben der Massen bedeutete. Im Gegenteil, Rosa Luxemburg argumentierte, dass Reformen als Momente im revolutionären Prozess wichtig seien, solange sie mit einer Strategie verbunden seien, die auf die Überwindung des Kapitalismus in seiner Gesamtheit abziele. Teilerfolge sollten ihr als Lernfeld und als Anstoß für Klassenbewusstsein und autonomes Handeln der Arbeiter dienen.
„Jeder Versuch, die Lebensbedingungen im Kapitalismus zu verbessern, ist nur insoweit nützlich, als er die Fähigkeit der Massen stärkt, den Kapitalismus selbst zu zerstören“ (Luxemburgo, 1910, apud Ouviña, 2019, S. 122).
Im Gegensatz zum reformistischen Modell der Transformation innerhalb des Systems glaubte Rosa Luxemburg an die Selbstorganisation und Mobilisierung der Massen als treibende Kraft der Geschichte. Seine Vorstellung vom revolutionären Kampf war weit davon entfernt, ein technischer Plan zu sein, der von Intellektuellen oder Führern der Arbeiterpartei ausgearbeitet wurde. Vielmehr war er als dynamischer Prozess konzipiert, in dem die Arbeiter selbst in ihrer konkreten Kampferfahrung ein politisches Bewusstsein und die Fähigkeit zur Selbstverwaltung entwickeln würden. Für Rosa Luxemburg konnte die Revolution daher weder durch parlamentarische Verhandlungen ersetzt noch von einer aufgeklärten Avantgarde angeführt werden.
In diesem Sinne argumentiert Hernán Ouviña, dass die luxemburgische Kritik des Reformismus weiterhin von grundlegender Bedeutung für das Verständnis der Grenzen politischer Strategien sei, die auch heute noch versuchen, die Aufrechterhaltung der kapitalistischen Ordnung mit einer mildernden Sozialpolitik in Einklang zu bringen. Anstatt diese Beschränkungen zu akzeptieren, schlägt Rosa Luxemburg eine Perspektive vor, die die Notwendigkeit eines radikalen und emanzipatorischen Bruchs wachhält, der nur durch direkte Aktionen und die autonome Beteiligung des Proletariats erreicht werden kann.
Internationalismus und Weltrevolution
Auch Hernán Ouviña hebt die zentrale Bedeutung des Internationalismus im Denken Rosa Luxemburgs hervor. Im Gegensatz zu Ansichten, die den sozialistischen Kampf auf den nationalen Raum beschränken, bestand Rosa darauf, dass die Revolution global sein müsse, da der Kapitalismus auf globaler Ebene operiere und seine Reproduktion von der kontinuierlichen Erschließung neuer Regionen abhänge. In seinen Worten: „Der Sozialismus kann nicht innerhalb der Grenzen eines einzelnen Landes verwirklicht werden, da die moderne Wirtschaft in ein globales Netzwerk eingebunden ist, das nicht künstlich aufgelöst werden kann“ (Luxemburg, 1916, apud Ouviña, 2019, S. 135).
Diese Auffassung bricht mit den Tendenzen des reformistischen Sozialismus und des bürgerlichen Nationalismus, die lokale Anpassungen innerhalb des kapitalistischen Systems anstreben. Für Rosa Luxemburg erfordert die globale Interdependenz des Kapitals eine internationalistische revolutionäre Strategie, die die Arbeiterklasse verschiedener Länder gegen die Strukturen des globalen Kapitalismus vereint. In seinem klassischen Die Akkumulation von KapitalBereits 1998 prangerte sie an, dass die koloniale Expansion für das Überleben des kapitalistischen Systems von entscheidender Bedeutung sei und eine globale wirtschaftliche Integration hervorbringe, die isolierte Lösungen verhindere.
Hernán Ouviña hebt auch hervor, wie der luxemburgische Ansatz Subjekt und Struktur auf dialektische Weise artikuliert und sowohl mechanischen Determinismus als auch idealistischen Voluntarismus vermeidet. In ihren Worten: „Rosa versucht, Subjekt und Struktur, Initiative und Klassenkampf zu artikulieren, ohne sie von den vielfältigen Kontexten und Determinationen zu trennen, die ihr Werden kennzeichnen. Dazu greift sie Marx auf und interpretiert ihn auf komplexe Weise, ausgehend von dieser konkreten Totalität und auf der Grundlage einer Dialektik, die jeglichen Determinismus und jede willkürliche Subjektivität vermeidet: ‚Die Menschen machen die Geschichte nicht willkürlich, aber sie machen sie trotzdem selbst.‘ (…) Und obwohl wir die historische Entwicklung nicht überspringen können, so wie ein Mensch nicht über seinen eigenen Schatten springen kann, können wir sie doch beschleunigen oder verlangsamen, sagt Rosa Luxemburg“ (Ouviña, 2019, S. 66-67).
Diese Formulierung weist auf eine permanente Spannung zwischen objektiven materiellen Bedingungen und bewusstem politischen Handeln hin. Für Rosa Luxemburg ist die sozialistische Transformation kein linearer oder spontaner Prozess, sondern das Ergebnis des organisierten Impulses der Arbeiter, die die Widersprüche des Kapitals beschleunigen und Lücken für die Revolution öffnen können. Daher ist internationalistisches Handeln nicht nur ein moralischer Imperativ, sondern eine strategische Notwendigkeit, um mit der Logik der globalen Ausbeutung zu brechen.
Die Relevanz dieses Gedankens wird deutlich, wenn wir die Dynamik des globalisierten Finanzkapitalismus betrachten, der soziale und ökologische Kämpfe vor immer komplexere Herausforderungen stellt. Neoliberale Politik, die Finanzialisierung der Wirtschaft und die Übernahme der Nationalstaaten durch transnationales Kapital schaffen eine neue Machtkonstellation, in der grundlegende Entscheidungen außerhalb der Reichweite traditioneller und lokaler demokratischer Prozesse getroffen werden. Dieses Phänomen führt in vielen Fällen zu Apathie und Demobilisierung angesichts von Strukturen, die das historische Subjekt und seine Transformationsmöglichkeiten zu erdrücken scheinen.
Gleichzeitig bleibt die luxemburgische Kritik an der nationalen Fragmentierung relevant. Der Aufstieg reaktionärer rechtsextremer Bewegungen und die Neuformulierung zeitgenössischer Formen des Imperialismus verstärken die Notwendigkeit einer internationalistischen Perspektive, die nationale Grenzen überschreitet und die Solidarität unter den Ausgebeuteten auf globaler Ebene fördert.
Wie Rosa Luxemburg in ihrem Essay gegen den Ersten Weltkrieg feststellte: „Freiheit nur für die Anhänger der Regierung, nur für die Mitglieder einer Partei – wie zahlreich sie auch sein mögen – ist keine Freiheit. Freiheit ist immer Freiheit der Andersdenkenden. Nicht aus Fanatismus für ‚Gerechtigkeit‘, sondern weil alles Lehrreiche, Gesunde und Reinigende der politischen Freiheit von diesem Wesenszug abhängt und seine Wirksamkeit verschwindet, wenn ‚Freiheit‘ zum Privileg wird“ (Luxemburgo, 1918, apud Ouviña, 2019, S. 73).
Die Wiederentdeckung des radikalen Internationalismus Rosa Luxemburgs erfordert daher, den Versuchungen nationalistischer Abschottung und bürokratischen Reformismus zu widerstehen und die Notwendigkeit einer globalen Transformation zu bekräftigen, die sich nicht auf oberflächliche Anpassungen an das kapitalistische System beschränkt. In diesem Sinne bleibt sein Werk ein Leuchtturm für diejenigen, die im 21. Jahrhundert nach emanzipatorischen Alternativen suchen angesichts eines Kapitalismus, der sich als einzig möglicher Horizont darstellt, aber weiterhin Ungleichheit, Umweltzerstörung und Prekarität auf planetarischer Ebene hervorbringt.
Ökologie und Kritik der kapitalistischen Akkumulation
Ein Aspekt, der in traditionellen Lesarten Rosa Luxemburgs oft vernachlässigt wird, den Hernán Ouviña jedoch eingehend behandelt, ist ihre Sorge um die Umweltzerstörung, die durch die expansive Logik des Kapitalismus entsteht. Bereits in ihrem Werk „Die Akkumulation des Kapitals“ (1913) stellte Luxemburg fest, dass das kapitalistische System nicht nur auf der Ausbeutung der Lohnarbeiter beruhte, sondern auch auf der Zerstörung traditioneller Lebensweisen und der gewaltsamen Aneignung von Territorien und natürlichen Ressourcen. Dieser Prozess, der vorwegnimmt, was David Harvey später als „Akkumulation durch Enteignung“ bezeichnen würde, zeigt, dass das Kapital nur durch die kontinuierliche Expansion und Kommerzialisierung aller Lebensbereiche überleben kann.
Hernán Ouviña fasst es wie folgt zusammen: „Rosa Luxemburg sah voraus, was wir heute ‚Akkumulation durch Enteignung‘ nennen, einen Mechanismus, durch den der Kapitalismus kontinuierlich expandieren muss und dabei Ökosysteme und Kulturen zerstört, um seine Akkumulationslogik aufrechtzuerhalten“ (Ouviña, 2019, S. 153).
Der luxemburgische Ansatz zur Akkumulation zeigt, dass das Kapital nicht nur durch die klassische Ausbeutung industrieller Arbeitskräfte erhalten bleibt, sondern sich auch aus der Plünderung natürlicher Ressourcen, der Enteignung indigener und bäuerlicher Gebiete und der Zerstörung ganzer Ökosysteme speist. Für Hernán Ouviña nimmt diese ökologische Lesart von Rosa Luxemburg grundlegende Debatten des zeitgenössischen Ökosozialismus vorweg und artikuliert sich mit den Kämpfen gegen den Rohstoffabbau sowie mit den Kämpfen der indigenen, schwarzen, bäuerlichen und feministischen Bewegung, die die Kommerzialisierung des Lebens und die Umweltzerstörung anprangern, die von Megakonzernen in Zusammenarbeit mit Staaten vorangetrieben werden.
Indem Hernán Ouviña diese Dimension ans Licht bringt, stellt er einen fruchtbaren Dialog zwischen Rosa Luxemburgs Denken und den Herausforderungen her, vor denen Volksbewegungen in den Entwicklungsländern, insbesondere in Lateinamerika, stehen. In Ländern, die von neokolonialer Abhängigkeit und der Durchsetzung neoliberaler Politik geprägt sind, verstärkt die Förderung von Rohstoffprojekten – oft unterstützt von autoritären Regierungen – die Ausplünderung traditioneller Gemeinschaften und verschärft die Klimakrise. Diese Analyse ist in einer Zeit von entscheidender Bedeutung, in der die Finanzialisierung der Weltwirtschaft die Natur in ein Spekulationsobjekt verwandelt und so die Ungleichheit und die Umweltzerstörung verschärft.
Der Kampf gegen die extreme Rechte und den finanzialisierten Neoliberalismus
Hernán Ouviña beschränkt sich nicht auf eine historische oder abstrakte Lesart von Rosa Luxemburg. Er fügt seine Überlegungen in eine scharfsinnige Diagnose der gegenwärtigen Situation ein und betont, wie wichtig es ist, die globale Linke im Kampf gegen neue Formen kapitalistischer Herrschaft und den Vormarsch der extremen Rechten zu qualifizieren. Dem Aufstieg neofaschistischer Projekte in verschiedenen Teilen der Welt – unterstützt von Sektoren des Finanzkapitals und des militärisch-industriellen Komplexes – kann man nicht mit abgedroschenen Formeln der Sozialdemokratie oder durch Zugeständnisse an den Neoliberalismus begegnen.
Für Hernán Ouviña besteht eine wesentliche Lehre aus Rosas Werk in ihrer Ablehnung sowohl des parlamentarischen Reformismus, der den antikapitalistischen Kampf durch Anpassungen innerhalb des Systems verwässert, als auch des bürokratischen Autoritarismus, der die politische Kreativität der Massen erstickt. Anstatt die falsche Dichotomie zwischen „progressivem“ Neoliberalismus und rechtsextremem Autoritarismus zu akzeptieren, schlägt der Autor vor, dass die Linke ein radikal demokratisches, internationalistisches und ökologisches Projekt neu aufbauen muss, das in der Beteiligung der Bevölkerung und der Autonomie sozialer Bewegungen verankert ist.
Die historische Erfahrung zeigt: Immer wenn die Linke ihre transformativen Fahnen aufgibt, um sich dem institutionellen Spiel anzupassen oder die Kapitalkrise zu bewältigen, öffnet sie der extremen Rechten Raum, sich als „systemfeindliche“ Alternative darzustellen. Hernán Ouviña warnt in seinen Überlegungen indirekt davor, dass man dem Aufstieg autoritärer Figuren nicht nur mit moralistischen Reden oder Appellen an die institutionelle Rationalität entgegentreten kann, sondern dass es vielmehr der Bildung eines breiten und kämpferischen Volksblocks bedarf, der in der Lage ist, sowohl formale politische Strukturen als auch kollektive Vorstellungen in Frage zu stellen.
„Wenn wir etwas von Rosa Luxemburg lernen können, dann ist es, dass die Revolution kein abgeschlossener Akt ist, sondern ein stets offener Prozess, in dem Kreativität und Selbstbestimmung der Unterdrückten die zentralen Triebkräfte sind“ (Ouviña, 2019, S. 198).
Rosa Luxemburg als Wegweiserin zur Neuerfindung linker Politik
In seinem gesamten Werk zeigt Hernán Ouviña, dass Rosa Luxemburg nicht nur eine historische Referenz oder ein Relikt einer fernen revolutionären Vergangenheit ist. Im Gegenteil: Seine Überlegungen bieten weiterhin grundlegende theoretische und politische Werkzeuge für diejenigen, die einen Sozialismus des 21. Jahrhunderts aufbauen wollen, der den heutigen Herausforderungen gewachsen ist.
Die luxemburgische Betonung der Selbstbestimmung des Volkes, der radikalen Demokratie und der unerbittlichen Kritik des bürokratischen Autoritarismus bietet einen strategischen Horizont für Kämpfe, die der doppelten Bedrohung durch den finanzialisierten Neoliberalismus und die extreme Rechte ausgesetzt sind.
Für Hernán Ouviña bedeutet die heutige Auseinandersetzung mit Rosa Luxemburg die erneute Bestätigung, dass Emanzipation nicht das Werk aufgeklärter Eliten oder technokratischer Avantgardeprogramme sein wird, sondern kollektiver Prozesse, in denen unterdrückte Subjekte den gesellschaftlichen Wandel anführen. In einem Szenario der ökologischen Krise, prekärer Arbeit und des Aufstiegs des Neofaschismus erfordert die Neuerfindung der Politik mehr denn je ein Engagement für demokratischen Radikalismus und den Aufbau von Alternativen, die mit der Logik des Profits und der Kommerzialisierung des Lebens brechen.
Rosa Luxemburg und die Neuerfindung der Politik Es handelt sich nicht nur um eine historische Rettung, sondern auch um eine Einladung zu kämpferischer Praxis und der Erneuerung des kritischen Denkens. In Zeiten der Offensive des Kapitalismus und des wachsenden Autoritarismus unterstreicht Hernán Ouviñas Werk die Notwendigkeit einer globalen Linken, die programmatische Entschlossenheit mit politischer Kreativität verbindet und versteht, dass der Kampf für den Sozialismus nicht auf Formeln der Vergangenheit reduziert werden kann, sondern, wie Rosa Luxemburg sagte, „ein stets offener Prozess“ ist, in dem Freiheit, Gleichheit und Solidarität – die Grundlagen einer radikalen und damit sozialistischen Demokratie – nur durch das autonome und kollektive Handeln der kämpfenden Volksmassen aufgebaut werden können.
*Marcio Sales Saraiva Er ist Soziologe und hat einen Doktortitel in Psychosoziologie von der Bundesuniversität von Rio de Janeiro (UFRJ)..
Referenz

Hernan Heard. Rosa Luxemburg und die Neuerfindung der Politik: eine lateinamerikanische Lesart. Übersetzung: Igor Ojeda. New York: Oxford University Press, 2021, 184 Seiten. [https://amzn.to/4kyIj8i]
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